Trotz der sogenannten "grünen Revolution" sind Erdöl und Erdgas nach wie vor Grundbedarfsgüter auf der ganzen Welt. Wenn sich ihre Preise bewegen, hat dies Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Anleger gleichermaßen. Nach einem manischen Jahr 2022 im Gefolge der zunehmenden Spannungen in Osteuropa, was den Preis für Rohöl der Sorte Brent auf den höchsten Stand seit fast zehn Jahren und auf über 125 US-Dollar pro Barrel ansteigen ließ, normalisierte sich der Preis schließlich wieder auf unter 80 US-Dollar pro Barrel. Gleichzeitig explodierten die Spot-Erdgaspreise auf dem freien Markt um mehr als 1.000 %, da die europäischen Gaspreise in den Niederlanden von durchschnittlich weniger als 20 Euro pro MWh auf einen Höchststand von 338,54 Euro im August 2022 stiegen, bevor sie im vergangenen Sommer allmählich wieder auf rund 30 Euro pro MWh zurückgingen.
Nun aber scheint der Preis angesichts der russischen und saudischen Fördermengenkürzungen und der zunehmenden politischen Instabilität im Nahen Osten in einen neuen Aufwärtstrend eingetreten zu sein. Und obwohl die Rohölpreise seither leicht nach unten korrigiert haben, gibt es eine klare Dynamik nach oben. Der Erdgaspreis für die Sorte EU Dutch TTF ist seither um mehr als 50 % gestiegen und liegt zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts am 10. Oktober 2023 bei 45 Euro pro MWh, wobei er allein im letzten Monat um mehr als 15 % zugelegt hat. Mit dem Herannahen der Heizsaison stellen sich die Verbraucher und die Marktteilnehmer gleichermaßen auf weitere Preissteigerungen bei Erdöl und Erdgas aufgrund typischer nachfragebedingter Faktoren ein. Sollte es jedoch zu einer Eskalation beim aktuellen Konflikt kommen, könnten die Preise noch stärker unter Druck geraten.
Die OPEC+ steht wieder im Rampenlicht
Nach den Preiserhöhungen des letzten Jahres richteten sich alle Augen auf die OPEC und die mit ihr verbundenen Länder, da das Kartell die Entwicklung des Ölpreises stark beeinflusst. Es ist weithin bekannt, dass zwei der größten Förderländer - Russland und das Königreich Saudi-Arabien - sich zu freiwilligen Fördermengenkürzungen von 300.000 bzw. 1 Million Barrel pro Tag verpflichtet haben. Diese Zusagen wurden nun bis 2024 verlängert, und da die Nachfrage aufgrund verschiedener Faktoren - von einer erhöhten Industrieproduktion in China bis hin zu saisonalem Druck - voraussichtlich steigen wird, wird diese künstliche Verringerung des Angebots jede organische Preissteigerung noch zusätzlich verstärken.
In ihrem jüngsten Prognosebericht hat die OPEC ihre Erwartungen für die langfristige Nachfrage bis 2045 auf 116 Millionen bpd (Barrel pro Tag) angehoben, was Investitionen in Höhe von 14 Billionen US-Dollar erfordern würde, um sie befriedigen zu können. Dies zeigt deutlich, dass das Kartell für diesen Energieträger eine bedeutende Zukunft sieht und alles tun wird, um die Preise hoch zu halten, damit sich dieser beträchtliche Kapitaleinsatz auch lohnt. Kurzfristig ist es schwierig vorherzusagen, wohin sich die Preise entwickeln werden. Dennoch scheint die OPEC alles in ihrer Macht Stehende tun zu wollen, um die Rohölpreise im Bereich zwischen 80 und 100 US-Dollar zu halten, so dass Premiumsorten wie Brent, WTI und Light Sweet bei ihren derzeitigen Preisen von 86,20, 84,28 bzw. 84,25 US-Dollar für längerfristig orientierte Anleger durchaus interessant sind.
Was ist mit Washington?
Das American Petroleum Institute stellte fest, dass die US-Rohöllagerbestände in dieser Woche um etwa 12,9 Millionen Barrel angestiegen sind, was deutlich über dem von einer Umfrage von Reuters-Analysten vorhergesagten Anstieg um 500.000 Barrel lag. Dies hat dazu beigetragen, die durch die Unruhen in Israel und die Fördermengenkürzungen in anderen Ländern verursachten Spitzenwerte etwas abzufedern. Aber die USA sind nicht nur selbst ein bedeutender Öl- und Gasproduzent, sondern haben als führende Supermacht der Welt auch einen großen Einfluss auf den Energiemarkt, der über die bloßen Zusammenhänge von Angebot und Nachfrage hinausgeht.
Langfristig gesehen kann ihre Umweltpolitik einen unermesslichen globalen Einfluss auf die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen haben. Auf dem Weg zu den US-Präsidentschaftswahlen 2024 stehen wir an einem politischen Scheideweg. Amtsinhaber Joe Biden setzt sich sehr für die ökologische Agenda ein, während sein Hauptkonkurrent Donald Trump in Bezug auf Umweltbelange eher eine lockere Haltung an den Tag legt.
Trump hat die USA aus dem Pariser UN-Klimaabkommen herausgeholt und verspricht nun, die Schutzmaßnahmen für sauberes Wasser und Luftverschmutzung abzuschaffen, während er die Umweltprüfungen für Dutzende von großen Energie- und Infrastrukturprojekten wie Bohrungen und Ölpipelines beschleunigen will. Biden hingegen trat in seinen ersten Amtshandlungen 2021 dem Pariser Klimaabkommen wieder bei und widerrief die Genehmigungen für die Keystone-Pipeline. Seitdem hat er Milliarden in grüne Infrastrukturen und erneuerbare Energien investiert und sich zum Ziel gesetzt, die USA bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen. Das Schicksal des Erdöls in den Jahren 2024 bis 2028 wird also weitgehend davon abhängen, wer die Präsidentschaftswahlen gewinnt, und die Anleger tun gut daran, die Umfragen genau zu beobachten, bevor sie größere Positionsänderungen vornehmen.
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